Letztes Wochenende habe ich mich mit meiner Mutter auf die Suche nach einem Brautkleid gemacht. Da meine Mutter einen tollen Geschmack hat und auch wusste, nach was ich in etwa suchte, war ich relativ entspannt und freute mich auf das, was uns erwarten sollte. Waren wir zu Beginn noch voller Euphorie, so sollten wir schon bald die erste böse Überraschung erleben…
Ja, ich gebe es gleich zu: Ich bin vielleicht ein klein wenig naiv an die Sache herangegangen. Aber zu meiner Entschuldigung: Man heiratet ja nur einmal. Oder versucht es zumindest.
Und ich dachte tatsächlich, ich wäre gut vorbereitet: Ich hatte eine Liste mit interessanten Brautmodengeschäften in Berlin zusammengestellt und auch die Wochenend-Öffnungszeiten notiert, damit wir am Ende nicht vor verschlossenen Türen stehen. Ich hatte mir auch nochmal genau überlegt, was ich in Punkto Hochzeitskleid will und was meine Fragen sind: Langes oder kürzeres Brautkleid? Ein Kleid aus luftigem Chiffon oder lieber eines mit Tüll und Spitze? Dazu ein Schleier oder einfach nur Haarschmuck?
Dann standen meine Mutter und ich also vor dem ersten großen Braut- und Festmoden-Geschäft in Berlin-Mitte. Meinen Verlobten (ohja, das Wort fühlt sich immernoch ganz komisch an!) hatten wir auch mitgenommen, immerhin hatte er so die Möglichkeit, sich schonmal in der Herrenabteilung umzusehen. Wir stiefelten also durch die Festmodenabteilung und sahen uns schon einmal einige weiße und cremefarbene Kleider an. Nicht übel! Nun nahmen wir Kurs auf die Brautmoden-Abteilung. Dort erwartete uns eine dicke rote Kordel, die uns den Weg versperrte. Ein Schild verkündete mehr oder weniger freundlich, man möge doch bitte am Tresen einen Termin vereinbaren, um Zugang zum Allerheiligsten zu erhalten.
Nun war ich echt baff. Ich wagte es ganz dreist, mit meinem Rollstuhl bis an die Kordel vorzufahren und beäugte die Kleider. Zugegeben, es waren schon einige schicke Brautkleider dabei. Und es war anscheinend niemand da, der die Kleider in diesem Moment ansehen wollte – der gesamte Bereich war leer. Ich holte also tief Luft und versuchte mein Glück an der Kasse. Dort wurde ich nach einem circa fünf Minuten langen (und bestimmt unglaublich wichtigem) Telefonat endlich erhört. Entrüstet sah man mich an. Nein, es sei absolut unmöglich, am Wochenende spontan einen Termin zu bekommen, das ginge nur mit Anmeldung. Mindestens drei Wochen vorher. Besser aber früher. Unter der Woche ginge es zuweilen auch schneller, teilte man mir noch gnädig mit. Wir schluckten. Meine Mutter war nur kurz zu Besuch, diesen Laden konnten wir also abhaken. Ich muss jedoch zugeben, dass mir sowieso ein klein wenig die Lust vergangen war. Immerhin sind diese Kleider sündhaft teuer, da möchte ich auch zumindest nett vertröstet werden, wenn es schon nicht möglich ist, die Kleider wenigstens mal anzusehen. Zumal der Brautmoden-Bereich immernoch leer war.
Wir wandten uns also der Herrenabteilung zu: vielleicht findet sich ja etwas für meinen Gatten in spe? Die Auswahl hier war überschaubar, aber von sehr guter Qualität. Auf Anhieb gefiel ihm (und uns ebenfalls!) ein Modell, das unglücklicherweise ein Einzelstück zu sein schien. Natürlich war es die falsche Größe. Wir warteten geduldig auf die Verkäuferin, die mit einem anderen Bräutigam beschäftigt war. Als sie endlich frei war, fragte mein Verlobter freundlich nach, ob es dieses Anzug-Modell auch in seiner Größe gäbe oder ob es bestellbar wäre. Die Verkäuferin zog ihr spitzes Näschen kraus. „Also, wenn das nicht passt, nehmen Sie doch diesen hier!“, sagte sie und zog einen völlig anderen Anzug hervor, der allenfalls eine entfernte farbliche Ähnlichkeit mit unserem Favoriten aufwies. Tapfer probierte er ihn an, tatsächlich saß er. Das Problem: Er gefiel keinem von uns. Während sie uns Richtung Kasse verließ, um das Portemonnaie des oben genannten anderen Bräutigams zu verschlanken, beschlossen wir bereits, woanders weiterzusuchen. Als wir im Begriff waren zu gehen, ertappte sie uns und forderte nun erbost eine Erklärung: „Sie wollen gehen? Was gefällt Ihnen denn an diesem Anzug nicht?!“ Sie klang gereizt und wir fühlten uns geschulmeistert. Nun wurde ich wirklich ein bisschen sauer. Wie kann sie von uns so unverschämt eine Erklärung einfordern? Wäre sie eine gute Verkäuferin, hätte sie sich bemüht, unsere Wünsche zu erfüllen und nicht, uns etwas aufzudiktieren. Wir teilten ihr mit, dass wir mit der Alternative nicht zufrieden sind und keine faulen Kompromisse wollen.
Als wir schlussendlich den Laden verlassen hatten, betrat eine relativ füllige Braut den abgesperrten Hochsicherheitsbereich hinter der roten Kordel. Wow, dachte ich. Sie hatte also einen dieser wahnsinnig tollen Termine. Meine Mutter und ich beobachteten sie und den Verkäufer durch die Schaufensterscheibe. Sie betrachtete ein Kleid, das für sie wirklich höchst unvorteilhaft wäre. Sie schien entzückt, der Verkäufer ebenso. „Man müsste die arme Kundin warnen!“, meinte meine Mutter. Wir schnitten Grimassen und alberten herum. In diesem Moment sah man uns. Entsetzen. Der Verkäufer versuchte panisch, uns mit seinem schmächtigen Kreuz den Blick zu versperren. Wir lachten und zogen weiter. Den Laden konnte ich nun immerhin wirklich abhaken…